Newsletter N°31 - April 2023

EDITORIAL

Kann man jemals Adieu sagen?

Liebe Leser:innen,

 

da ich in wenigen Wochen meine berufliche Laufbahn beende - und damit das Navigator-Projekt verabschiede und in andere Hände übergebe - ist dies ein guter Anlass, einen persönlichen Blick auf meine über 20-jährige Laufbahn in der NGO zu werfen.

 

Schon zu Beginn meines Soziologiestudiums waren Fragen nach der politischen Verfassung einer Gesellschaft und ihrer Entstehung eines meiner Hauptinteressen. Insofern war es eine glückliche Fügung, dass mir das Direct Democracy Navigator Projekt angeboten wurde, das mich bis heute begleiten würde. Die damit verbundene weltweite Forschung zur direkten Demokratie bedeutete auch eine Veränderung meiner bisher sehr deutschen und (west-)europäischen Perspektive auf politische Strukturen. Die Datenanalysen bestärkten die These, dass eine schlüssige Antwort auf zahlreiche Fragen nur mit Blick auf die politisch-kulturelle Entwicklung einer jeweiligen Gesellschaft und ihrer Geschichte möglich ist.

 

Während der Arbeit am Navigator wurden direktdemokratische Volksrechte nur selten ausgebaut (z.B. in Taiwan und Mexiko). Einmal wurde ein bestehendes Instrument der direkten Demokratie sogar abgeschafft. Andere Staaten verwandelten sich in autokratische Systeme und werden heute nicht mehr in der Datenbank aufgeführt. Die weltweite Institutionalisierung von direktdemokratischen Instrumenten ist immer mit der allgemeinen Entwicklung des demokratischen Regierungssystems verwoben. Der Bertelsmann Transformation Index stellte in seinem Bericht für das Jahr 2022 fest, dass es inzwischen weltweit mehr autokratische als demokratische Staaten gibt. Diese globale Entwicklung ist mit Sicherheit zutiefst besorgniserregend.

 

Seit dem Einmarsch in die Ukraine und der damit diagnostizierten "Zeitenwende" habe ich gelegentlich das Gefühl gehabt, dass sich bekannte und überwunden geglaubte Strukturen wiederholen. Aber auch andere Themen, wie die Analyse der "Grenzen des Wachstums" (1972) oder die neue-alte Diskussion um Frauenrechte oder die von Minderheiten, spielen eine Rolle. Wird sich die Geschichte wiederholen? Kürzlich wurde ich mit Blick auf die Weltlage gefragt, ob ich auch in Deutschland die Gefahr eines Scheiterns der Demokratie sehen könnte. Als Jugendlicher hätte ich diese Frage wahrscheinlich mit "Ja" beantwortet. Heute jedoch halte ich das demokratische Regierungssystem in meinem Land für stabil und stark, eingebettet in eine hoffentlich noch weiter erstarkende Stabilität der Europäischen Union.

 

Kann man also jemals Adieu sagen? Wahrlich, ich bin froh, auf das arbeitsbedingte frühe Aufstehen oder den gelegentlichen arbeitsbedingten Stress verzichten zu können. Aber ein "Adieu" von dem demokratischen System, vom Rechtsstaat und von der uneingeschränkten Geltung der Menschenrechte wird nicht möglich sein.

 

Deshalb braucht es zivilgesellschaftliche Aktivist:innen und NGOs wie Democracy International, die für die Demokratie eintreten und sie stark machen!

Foto: Klaus Hofmann, Herausgeber des "Direct-Democracy Navigator" Akademischer Berater, Democracy International e.V.

Klaus Hofmann,
Herausgeber des "Direct-Democracy Navigator"
Akademischer Berater, Democracy International e.V.

Veranstaltungen und Projekte unserer Community

Bild: Globales Forum für moderne direkte Demokratie in Mexiko

Das Global Forum in Mexiko - Hände weg von unserer Demokratie!

Vom 27. Februar bis zum 7. März fand in Mexiko das 2023 Global Forum zur Modernen Direkten Demokratie statt, das vom Nationalen Wahlinstitut (INE) mitveranstaltet wurde. 15 Jahre nach dem ersten Global Forum in Aarau, gab es in Mexiko über 40 verschiedene Sitzungen. 

 

Bild: Aufstehen für das Klima! Foto mit freundlicher Genehmigung von @shaunl Getty Images Signatur von Canva Pro https://www.canva.com/

Die Berliner:innen haben entschieden - doch entschieden ist letztlich nichts

Er kam und er scheiterte. Die Berliner:innen haben vor einigen Wochen, am 26.3. entschieden, doch entschieden ist letztlich nichts. Im Volksentscheid stimmten 51% für die Klimaneutralität der Hauptstadt bis 2030, 49% dagegen.

 

Bild: European Public Sphere Dome auf der Ukrainian Vibes 2022 Tour in Polen

Die Macht der Jugend

Nach unserer Auszeichnung mit dem dritten Preis des prestigeträchtigen Jugendkarlspreises des Europäischen Parlaments, bieten wir nun mehr Projekte für junge Europäer:innen und Weltbürger:innen denn je. Werfen wir einen Blick darauf!

 

Bild: Unser Körper, unser Verstand, unsere Kraft. Foto mit freundlicher Genehmigung von @shaunl Getty Images Signatur von Canva Pro https://www.canva.com/

Michigans Bürger:innen nehmen die Dinge selbst in die Hand

Themen wie Reproduktions- und Frauenrechte wurden zu einem der wichtigsten Beweggründe für Bürger:innen, bei den Zwischenwahlen im November 2022 für Kandidat:innen zu stimmen, die für Abtreibung eintreten.

Podcast: Rules of the Game 

  • EPISODE 34: Patterns of Democracy with Arend Lijphart. Hier gehts zum PODCAST

    Der Podcast "Rules of the Game - Discussing Democratic Institutions" des Politökonomen Stephan Kyburz befasst sich mit Nachrichten über direkte Demokratie in einem globalen Kontext. Durch eine Partnerschaft zwischen "Rules of the Game" und Democracy International wollen wir den Podcast unterstützen und ihm eine Plattform geben, um zu wachsen.
Sollen Bürgerforen die Klimapolitik bestimmen? Das fordert ein Aktivist der Extinction Rebellion vor dem Parlament in London im Herbst 2022. Keystone / Tolga Akmen

"Öko-Totalitarismus ist eine Gefahr in Bezug auf den Klimawandel"

Der Politikwissenschaftler Rikki Dean hat zu Klimaversammlungen geforscht. Mit diesen Bürgerpanels alleine bewältigen Demokratien die Klimaerwärmung seiner Meinung nach kaum.

 

Tänzerinnen und Tänzer mit Schweizer Fahnen empfangen Bundespräsident Alain Berset bei seinem fünftägigen Staatsbesuch in Botswana und Mosambik im vergangenen Monat © Keystone / Peter Klaunzer

Botswana: Die älteste Demokratie Afrikas will ein Leuchtturm nach Schweizer Vorbild werden

Der von US-Präsident Joe Biden initiierte zweite Gipfel für Demokratie bietet kleinen Ländern mit einer starken demokratischen Identität wie Botswana, der Mongolei – und der Schweiz – eine einzigartige Bühne. 

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