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Scheinbare Demokratie

01-11-2017

Warum die australische Briefwahl zur homosexuellen Ehe einen Missbrauch der direkten Demokratie darstellt.

Von Caroline Vernaillen

Australien beendet diese Woche eine landesweite Umfrage, die darüber entscheiden wird, ob homosexuelle Paare heiraten können. Während wir auf die Bekanntgabe der Ergebnisse am 15. November warten, lässt sich noch viel über die Organisation der postalischen Befragung sagen. Die Entscheidung für ein so genanntes Briefwahl-Plebiszit wurde weithin kritisiert, selbst dann als die australische Regierung behauptete, dass "jeder Australier ein Mitspracherecht in dieser Frage haben sollte".  Diese neue Instrumentalisierung scheinbarer direkter Demokratie ist aus mehreren Gründen beunruhigend und irreführend.

Wie ist es dazu gekommen?

Die führende liberale Partei hat lange, gefangen im Spannungsfeld zwischen konservativen und progressiven Mitgliedern, mit ihrer eigenen Position zur Gleichberechtigung der Ehe gekämpft. Tatsächlich war es der liberale Premierminister John Howard, der die bisher unklare Rechtsdefinition der Ehe 2004 in die "Vereinigung von Mann und Frau" änderte. Und während der gegenwärtige Premierminister Malcolm Turnbull sich selbst für die Gleichberechtigung der Ehe ausgesprochen hat, weigerte er sich, aus Angst vor dem Konflikt mit konservativen Kräften in seiner Partei, eine Abstimmung im Parlament einzufordern.

In der Hoffnung, nicht im Parlament Stellung beziehen zu müssen, schlug die Regierung vor, die Frage in Form einer Volksabstimmung an das australische Volk zu richten. Dies war ein unorthodoxer Vorschlag, da in Australien im letzten Jahrhundert nur drei nationale Volksentscheide abgehalten wurden: zwei über den Wehrdienst während des Ersten Weltkriegs und einer über die Wahl eines nationalen Liedes im Jahr 1977.

Aufgrund dessen blockierte der Senat zweimal Gesetzentwürfe, die eine Volksabstimmung zur Gleichberechtigung der Ehe vorschlugen. Die Gegner des Gesetzentwurfs führten die Sorge um hohe Kosten für die Organisation einer Volksabstimmung und die Gefahr eines verbitterten und schädlichen Wahlkampfes als Gründe an. Im Gegenzug schlug die Regierung jedoch ein "Briefwahl-Plebiszit" vor - ein Instrument, welches bisher noch nie benutzt wurde und für das die Regierung keine parlamentarische Zustimmung brauchte.

Die Entscheidung, eine postalische Umfrage durchzuführen, wurde am 10. August getroffen und gab den Australiern nur zwei Wochen Zeit ihre Informationen in den Wählerverzeichnissen zu aktualisieren, um die Umfrageunterlagen erhalten zu können. In Australien ist die Stimmabgabe bei verbindlichen Wahlen und Referenden obligatorisch. Da es sich in diesem Fall aber um eine "Umfrage" handelt, ist die Teilnahme freiwillig und das Ergebnis hat nur beratenden Charakter. Die Umfrage wurde demnach auch vom Australian Bureau of Statistics und nicht von der australischen Wahlkommission, die üblicherweise mit Referenden beauftragt ist, durchgeführt.

Während der Vorbereitungen für das Plebizit, wurde die Umfrage Ende August durch zwei unterschiedliche Gerichtsverfahren angefochten, in denen vorgebracht wurde, dass die Verwendung von 122 Millionen australischen Dollar (80 Millionen Euro) aus einem Sicherheitsfonds und die vom Australian Bureau of Statistics durchgeführte Erhebung verfassungswidrig seien. Am 7. September entschied der Oberste Gerichtshof jedoch, dass beide Punkte in Einklang mit dem Gesetz stehen.

Ab dem 12. September wurde dann 16 Millionen Australier ein Brief mit der folgenden Frage geschickt:"Soll das Gesetz geändert werden, so dass gleichgeschlechtliche Paare heiraten können? Ja oder Nein.

Warum ist das keine direkte Demokratie?

Generell kann man zwischen zwei Arten von modernen direktdemokratischen Instrumenten unterscheiden. Bottom-up Instrumente wie die Bürgerinitiative und die Volksabstimmung auf der einen Seite und staatlich ausgelöste Volksabstimmungen auf der anderen Seite, zum Beispiel das obligatorische Referendum. Eine Bürgerinitiative gibt den Menschen die Möglichkeit, wenn sie eine bestimmte Anzahl von Unterschriften sammeln, Gesetze vorzuschlagen oder eine Politik zu korrigieren, mit der sie nicht einverstanden sind. Ein obligatorisches Referendum wird automatisch ausgelöst, wenn der Gesetzgeber bestimmte Maßnahmen vorschlägt, wie zum Beispiel bei Verfassungsänderungen. In beiden Fällen sind die Verfahren genau definiert und die möglichen Ergebnisse für alle Beteiligten eindeutig.

Wenn die Regierung jedoch beschließt, dem Volk eine Ad-hoc-Frage zu stellen, spricht man von einer Plebiszit. Da in diesem Fall die Definition der Frage, die Spielregeln und die möglichen Ergebnisse alle mit dem gleichen Akteur zusammenhängen, ist das Plebiszit generell sehr anfällig für Manipulationen. Das bedeutet, dass es schon problematisch gewesen wäre, ein normales Plebiszit durchzuführen, geschweige denn, wie in diesem Fall, eine unverbindliche Umfrage per Briefwahl.

Darüber hinaus widerspricht die Organisation dieses Verfahrens eindeutig dem parlamentarischen Beschlusse, der überhaupt keine Volksabstimmung zuzulassen wollte. Zumal die Regierung nichts unternommen hat, um die Bedenken der Opposition über Kosten oder schädliche Kampagnen auszuräumen.

Ein grundlegendes Problem dieser Umfrage besteht auch darin, dass beide politischen Lager nicht darauf hoffen können, dass das Ergebnis zu klaren politischen Entscheidungen führt. Eine Mehrheit für "Nein" wird die Diskussion über der Gleichberechtigung der Ehe wahrscheinlich nur kurzfristig beenden, und eine Ja-Mehrheit wird nur zu einer Abstimmung im Parlament führen, die dennoch noch für die Gegner der gleichberechtigten Ehe ausgehen könnte.

Und das bringt uns zu einem Schlüsselproblem: Die Leute werden nicht gebeten, über einen konkreten Vorschlag mit einem klaren Ergebnis abzustimmen, sondern sie werden um ihre allgemeine Meinung zu einem komplexen Thema gebeten. Dadurch entstehen Räume für schädliche Spekulationen, vor allem auf der Seite der Gegner, wie zum Beispiel durch die verwerfliche und falsche Behauptung, dass die Gesetzgebung zur homosexuellen Ehe die Schulen zwingen würde "Homosexualität und Transvestitismus" zu fördern.

Wie von Menschenrechtsorganisationen befürchtet, hat die Umfrage dazu geführt, ein Thema zu politisieren, das nur mit großer Vorsicht diskutiert werden sollte. Das Recht einer Minderheit auf das Grundrecht, ihre Beziehung rechtlich zu definieren, um so Sicherheit in Bezug auf Eigentum, Erbschaft und Elternschaft zu erlangen.

Die australische Regierung spielt ein gefährliches und egoistisches Spiel mit einer grundlegenden demokratischen Haltung: In einer Demokratie sind alle Menschen gleichberechtigt, aber nicht alle müssen gleich sein und dafür müssen einige Sicherheitsvorkehrungen gelten. Die australische Regierung setzt lieber auf ein riskantes Verfahren, anstatt sich moderner direkt-demokratischer Instrumente zu bedienen. Während die aktuellen Umfragen einen Sieg für das Ja-Camp vorauszusagen scheinen, darf ein positives Ergebnis nicht darüber hinwegtäuschen, dass das "Briefwahl-Plebiszit" einen gefährlichen Präzedenzfall für die Gewährung und Einhaltung demokratischer Minderheitenrechte darstellt.

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